Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („Fiskalvertrag“) wurde am 2. März 2012 von allen EU-Staaten außer dem Vereinigten Königreich und Tschechien unterzeichnet. Mit seiner Unterzeichnung haben sich 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen, vorzugsweise auf Verfassungsebene, aufzunehmen. Bundestag und Bundesrat haben dem Fiskalvertrag Ende Juni zugestimmt. Er liegt wie auch der Europäische Stabilitätsmechanismus im deutschen und im europäischen Interesse.

Um die akute zu hohe Staatsverschuldung schnellstmöglich zurückzuführen und zukünftige übermäßige Staatsverschuldung nachhaltig zu vermeiden, ist es erforderlich, die Wirtschafts- und Währungsunion durch neue vertragliche Regelungen zu stärken. Dabei soll die Haushaltsdisziplin verbessert, gesunde öffentliche Finanzen erreicht und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung ermöglicht werden.

Ursprüngliches Ziel war es, diese Regelungen durch eine Änderung der Unionsverträge einzuführen, doch war dies aufgrund des Widerstandes des Vereinigten Königreiches nicht realisierbar. Vor diesem Hintergrund wurden die von den Staats- und Regierungschefs am 9. Dezember 2011 vereinbarten inhaltlichen Eckpunkte im Rahmen des völkerrechtlichen Fiskalvertrags umgesetzt. Damit wird ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer veritablen Stabilitätsunion gemacht.
Kernpunkte des Fiskalvertrags

Im Wesentlichen enthält der Vertrag folgende Neuerungen gegenüber der bestehenden Rechtslage:

  • Der Vertrag sieht ehrgeizige Vorgaben für nationale Schuldenbremsen vor. Er sieht vor, dass das mittelfristige Haushaltsziel der Vertragsparteien ein gesamtstaatliches strukturelles Defizit von 0,5 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigt, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 % liegt.
  • Damit geht er über die Anforderungen des bestehenden präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hinaus, der lediglich eine Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit von 1 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorsieht.
  • Die Umsetzung der Schuldenbremse in nationales Recht muss durch Bestimmungen verbindlicher und dauerhafter Art, vorzugsweise mit Verfassungsrang, erfolgen, d.h. die Einhaltung und Befolgung der nationalen Schuldenregeln muss gewährleistet sein.
  • Die Umsetzung der Schuldenbremse in nationales Recht kann durch eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durchgesetzt werden. Bei Nichtumsetzung einer Entscheidung des EuGH können dem betreffenden Mitgliedstaat Sanktionen auferlegt werden.
  • Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auflegen, das vom Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission genehmigt und überwacht wird.
  • Die Eröffnung und alle weiteren Beschlüsse im Rahmen eines Defizitverfahrens werden hinsichtlich der Nichteinhaltung des Defizitkriteriums zukünftig quasi-automatisch erfolgen (umgekehrte qualifizierte Mehrheitsentscheidung).
  • Quasi-automatische Beschlüsse mit umgekehrter qualifizierter Mehrheit, die nach der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Rahmen des sogenannten „Sixpack“ erst bei Sanktionen zum Tragen kommen, werden damit auf die Einleitung des Defizitverfahrens ausgeweitet.
  • Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung.
  • Der Vertrag regelt ein Verfahren zu einer besseren politischen Steuerung des Euro-Währungsgebiets in Gestalt von regelmäßigen, mindestens zwei Mal im Jahr stattfindenden Tagungen des Euro-Gipfels.
  • Es wird die Möglichkeit einer Konferenz von Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zu Fragen der Haushaltspolitik und anderer von diesem Vertrag erfasster Angelegenheiten vorgesehen.

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