Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)

Die 17 Mitgliedstaaten des Euroraums haben sich auf einen permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geeinigt, der die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ablösen und langfristig zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets beitragen wird. Bundestag und Bundesrat haben dem Europäischen Stabilitätsmechanismus am 29. Juni zugestimmt. Ein starkes Signal an die europäischen Partner: Deutschland steht gemeinsam und geschlossen für Europa ein. Der Grundsatz bleibt: Keine Leistung ohne Gegenleistung.

Der ESM wird durch völkerrechtlichen Vertrag als internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg gegründet. Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und diese in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaaten der Eurozone unter strikten wirtschaftspolitischen Auflagen Unterstützung durch verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Verfügung zu stellen, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Die Auflagen werden im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms, das die wirtschaftlichen und finanziellen Ungleichgewichte des betroffenen Landes gezielt anspricht, vereinbart. Darüber hinaus wird die Gewährung von Finanzhilfen an die Ratifizierung des Fiskalvertrags zum 1. März 2013 und – nach Ablauf der entsprechenden Umsetzungsfrist im Fiskalvertrag – an eine Umsetzung der neuen Schuldenregel gekoppelt.
Inkrafttreten des ESM

Instrumente des ESM:

Dem ESM stehen (wie der EFSF) verschiedene Instrumente für die Gewährung von Stabilitätshilfen zur Verfügung, die bei Erfüllung strikter Auflagen vergeben werden können:

Vorsorgliche Finanzhilfen:

Mitgliedstaaten des Euroraums, die grundsätzlich über gesunde Fundamentaldaten verfügen, können bei kurzfristigen Finanzierungsschwierigkeiten Unterstützung des ESM durch Bereitstellung einer Kreditlinie erhalten, um das Vertrauen der Märkte zu stärken und das Entstehen einer tatsächlichen Krise sowie deren Übergreifen auf andere Länder des Euroraums zu verhindern.
Darlehen

ESM-Mitglieder können Darlehen zur Überbrückung von Finanzierungsschwierigkeiten erhalten. Das betreffende Land muss sich im Gegenzug verpflichten, im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms umfangreiche Reformen zur Erreichung einer gesunden wirtschaftlichen und finanziellen Situation durchzuführen.

Finanzhilfen zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds:

Sofern durch spezifische Probleme im Finanzsektor eines Mitgliedstaats die finanzielle Stabilität gefährdet ist, kann der ESM einem Mitgliedstaat ein Darlehen zur Verfügung stellen, das dieser zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten verwendet. Das europäische Beihilferecht muss dabei eingehalten werden. Verantwortlich für die Rückzahlung und Einhaltung der Konditionalität ist der empfangende Mitgliedstaat.
Primärmarktkäufe

Der ESM kann sich in Ausnahmefällen am Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds auf dem Primärmarkt (Emissionsmarkt) beteiligen, um das entsprechende Land auf dem Primärmarkt zu halten oder es – beispielsweise am Ende eines Anpassungsprogramms – wieder an den Primärmarkt heranzuführen
Sekundärmarktinterventionen

Im Falle durch die Europäische Zentralbank (EZB) nachzuweisender außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt und Gefahren für die Finanzstabilität können in Ausnahmefällen Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt (Umlaufmarkt) aufgekauft werden. Ziel dieser Maßnahme ist, die Funktion der Anleihemärkte zu unterstützen und eine ausreichende Liquidität im Anleihemarkt zu gewährleisten.
Finanzielle Ausstattung des ESM
Ausleihvolumen und Kapitalstruktur

Der ESM wird über 700 Milliarden Euro Stammkapital verfügen. Diese Summe teilt sich auf in 80 Milliarden Euro einzuzahlendes und 620 Milliarden Euro abrufbares Kapital.

Die Finanzierungsanteile der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben sich aus dem Anteil am Kapital der EZB, mit befristeten Übergangsvorschriften für einige neue Mitgliedstaaten. Der deutsche Finanzierungsanteil am ESM beträgt entsprechend dem EZB-Schlüssel 27,15 %. Dies entspricht rund 22 Milliarden Euro eingezahltem und rund 168 Milliarden Euro abrufbarem Kapital.

Das Kapital wird in fünf Raten eingezahlt. Ende März 2012 wurde sich darauf geeinigt, dass die Einzahlung der ersten beiden Raten in 2012 erfolgt, die Einzahlung der restlichen Tranchen ist für 2013 und 2014 vorgesehen.
Beteiligung des Privatsektors

Wenn ein ESM-Mitglied Finanzhilfe erhält, wird je nach Einzelfall sowie im Einklang mit der Praxis des Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Beteiligung des Privatsektors in angemessener und verhältnismäßiger Form angestrebt.
Entscheidungsgremien des ESM

Der ESM verfügt über einen Gouverneursrat, gebildet aus den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets, welche die gewählten Regierungen der Eurostaaten repräsentieren, sowie über ein Direktorium, in das jedes Mitgliedsland ebenfalls einen Vertreter entsendet. Wesentliche Entscheidungen – etwa über die Gewährung einer Finanzhilfe, einschließlich der damit verbundenen Auflagen, der einsetzbaren Instrumente und der Finanzierungsbedingungen – werden durch die Finanzminister der Eurostaaten im Gouverneursrat getroffen. Das Direktorium ist für den laufenden Geschäftsbetrieb zuständig.
Funktionsweise des ESM

Der ESM funktioniert nach einem im Vertrag festgelegten Verfahren:


ESM-Mitglieder, die um Finanzhilfen ersuchen, haben einen entsprechenden Antrag an den Vorsitzenden des Gouverneursrats des ESM zu richten.

Nach Eingang eines solchen Ersuchens erfolgt eine Bewertung der folgenden Aspekte durch die Europäische Kommission, in Absprache mit der Europäischen Zentralbank und gegebenenfalls dem Internationalen Währungsfonds, der sogenannten Troika:

  • liegt eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt vor;
  • ist die Tragbarkeit der Staatsverschuldung des betreffenden ESM-Mitglieds gegeben;
  • wie hoch ist der tatsächliche Finanzierungsbedarfs des ESM-Mitglieds und in welcher Form ist gegebenenfalls der Privatsektor zu beteiligen.
Der Gouverneursrat des ESM beschließt auf Grundlage dieser Bewertung, ob grundsätzlich Finanzhilfe gewährt werden kann.

Wird ein Beschluss zur grundsätzlichen Gewährung einer Finanzhilfe gefasst, so beauftragt der Gouverneursrat die Europäische Kommission, mit dem betreffenden Land eine Absichtserklärung (sogenanntes Memorandum of Understanding, MoU) auszuhandeln, in der die wirtschaftspolitischen Bedingungen der Finanzhilfe festgelegt werden.

Dieses MoU ist anschließend durch den Gouverneursrat zu billigen, der sodann eine abschließende Entscheidung über die Gewährung der Finanzhilfe trifft.

Die Troika überwacht die Einhaltung der an die Finanzhilfe geknüpften wirtschafts- und finanzpolitischen Bedingungen und berichtet hierüber an das Direktorium der ESM. Die fortlaufende Auszahlung der Finanzhilfen ist an die Einhaltung der Auflagen geknüpft.

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