Neues aus der Parlamentswoche

Die Flüchtlingsbewegung nach Deutschland hat in den letzten Tagen und Wochen noch einmal stark zugenommen. Schon seit einigen Jahren steigt die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, stetig an. Ihr Kommen ist häufig Ausdruck der außenpolitischen Krisen und kriegerischen Auseinander-setzungen, die wir vor allem in und rund um Syrien erleben. Derzeit befinden sich weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Menschen fliehen entweder innerhalb ihrer Heimatländer, in die unmittelbaren Nachbarstaaten oder nach Europa. Als weltoffenes und starkes Land zieht es viele Flüchtlinge gerade nach Deutschland, wo wir die Auswirkungen nun zunehmend ganz konkret erleben. Wir können uns davon nicht frei machen.

Syrien, wo die Terrormiliz IS schrecklich wütet, ist nur ein Beispiel unter vielen – in und aus diesem Land sind alleine mehr als 11 Millionen Menschen geflohen. Wir müssen aber auch feststellen, dass ein ganz erheblicher Anteil der Asylbewerber vom Balkan kommt, aus Ländern, in denen weder Krieg noch politische Verfolgung herrscht; sie können nicht bei uns bleiben.
 
Für die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen in unserem Land gilt in dieser Situation: Wir helfen! Menschen, die vor Krieg und aus Bedrohung flüchten, können sich auf die Solidarität der Menschen in Deutschland und auch die Hilfe von CDU und CSU verlassen. Die enorme Hilfsbereitschaft unserer Bürger ist beeindruckend und zugleich Ausdruck unserer inneren Stärke. Wir danken den vielen Ehrenamtlichen genauso wie den hauptamtlichen Bediensteten bei der Polizei, den Rettungskräften, den Bediensteten bei Bund, Länder und Kommunen. Gleichzeitig verurteilen wir auf das schärfste Übergriffe oder Brandanschläge auf Asylbewerber-unterkünfte, hier muss unser Rechtsstaat hart und zügig reagieren.
 
Über die Organisation erster Hilfestellung hinaus, müssen wir die Flüchtlingsfrage insgesamt in den Blick nehmen, denn das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns: Handelnde zu bleiben und eine mittel- und langfristige Lösung zu finden. Denn es ist auch klar, dass wir auf Dauer nicht jedes Jahr 800.000 Menschen bei uns aufnehmen können.
 
Angesichts der hohen Zahlen verlangt dies uns allen eine enorme Kraftanstrengung ab. In dieser Phase ist es notwendig, parteiübergreifend zu handeln und sich nicht in ideologische Grabenkämpfe zu begeben.
 
Das gestern im Koalitionsausschuss verabredete Gesamtpaket hat einen fünfgliedrigen Ansatz: die Fluchtursachen bekämpfen, eine gemeinsame europäische Antwort finden, den tatsächlich Verfolgten helfen, die Nicht-Verfolgten dazu zu bringen, in ihrer Heimat zu bleiben oder dahin zurückzukehren und schließlich Kommunen und Ländern helfen.
 
1. Die Fluchtursachen wollen wir bekämpfen. Nur eine wirkliche Verbesserung der Lage in den Heimatländern der Menschen, die sich auf den Weg nach Europa und Deutschland begeben, wird diese davon abhalten, die mühe- und gefahrvolle Reise zu uns zu unternehmen. Wir müssen die schon entwickelten Ideen - auch auf EU-Ebene - nun mit Hochdruck umsetzen, mit denen wir gerade im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika zu Verbesserungen kommen können. Auch die Staaten, durch welche die Menschen zu uns kommen, müssen stabilisiert und in ihrer Aufnahme-fähigkeit gestärkt werden. Unsere Außen- und Entwicklungspolitik kann mit den beschlossenen Maßnahmen und den zusätzlichen Mitteln darauf hinwirken.
 
Die deutsche Hilfe rund um Syrien zielt vor allem darauf ab, Menschen vor Ort zu helfen, um ihnen nach Ende des Konfliktes eine rasche Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011 hat unser Land in der Region mehr als eine Milliarde Euro bereitgestellt.
 
2. Die Fluchtbewegung nach Europa erfordert eine gemeinsame Antwort der EU, die Durchsetzung der gemeinsamen europäischen Asylpolitik und wichtige Reformen an diesem System.
 
Wir wollen auf EU-Ebene zügig zu einer einheitlichen Liste der sicheren Herkunftsländer gelangen. Darüber hinaus sollen die geplanten EU-Aufnahmezentren („hotspots“) in den EU-Ländern, an deren Außengrenze der Flüchtlingsandrang besonders hoch ist, schnell ihre Arbeit beginnen können. 
 
Wir sind erschüttert über die Folgen einer zunehmend skrupellos und menschenverachtenden Schleuserkriminalität. Kriminelle Banden bereichern sich an Flüchtlingen und nehmen in ihren Machenschaften allzu oft keine Rücksicht auf die Würde oder das Leben derer, die sich ihnen anvertrauen. Wir werden die Bekämpfung der Schleuserszene auf EU-Ebene intensivieren und diese Form der Ausbeutung nicht hinnehmen.
 
3. Den tatsächlich Verfolgten wollen wir schnell und unbürokratisch helfen. Dazu wird der Bund die Länder und Kommunen bei dem Ausbau der Erstaufnahmeeinrichtungen auf 150.000 Plätze verstärkt unterstützen. In Zeiten von besonderen Belastungen müssen pragmatische Lösungen greifen. Wir haben daher verabredet, dass man von geltenden Standards und Regelungen abweichen können soll, um schneller winterfeste Unterkünfte errichten zu können.
 
Die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten werden nach menschlichem Ermessen längere Zeit bei uns bleiben. Um ihnen die Integration zu erleichtern und sie zügig zu befähigen, selbst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, werden wir die Mittel für Integrationskurse erhöhen und berufsbezogene Sprachkurse fördern.
 
Auch als Staat wollen wird das enorme Engagement der Bürgerinnen und Bürger unterstützten, indem wir beim Bundesfreiwilligendienst bis zu 10.000 zusätzliche Stellen einrichten. 
 
Um für die Menschen schneller Klarheit über ihre Zukunft zu schaffen, werden wir die Asylverfahren beschleunigen und auch die Menge an offenen Asylverfahren abbauen. Die vier neuen Entscheidungszentren beim BAMF werden dazu in den nächsten Wochen ihre Arbeit aufnehmen. 
 
4. Die Anzahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, aber weder politisch verfolgt sind noch vor einem Bürgerkrieg fliehen, ist in den letzten Jahren enorm gestiegen, ihre Anerkennungsquote tendiert aber gegen Null. Ein Schlüssel, den aktuellen Flüchtlingsandrang zu reduzieren, liegt darin, ihre Zahl deutlich zu verringern. Daher haben wir im Koalitionsausschuss eine Reihe von Maßnahmen verabredet, die Fehlanreize beseitigen und den Menschen auf dem Balkan verdeutlicht, dass es aussichtslos ist, ihr Glück über einen Asylantrag in Deutschland zu versuchen. 
 
In der Phase der Erstaufnahme werden wir soweit wie möglich auf die Ausschüttung von Geldleistungen verzichten und zu ausschließlichen Sachleistungen kommen. Gerade durch die Zahlung des Bargeldes für einige Monate im Voraus ist es hier zuletzt zu Fehlsteuerungen gekommen. Wir gewährleisten auch mit Sachleistungen ein menschenwürdiges Dasein – ganz, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt. Zudem verlängern wir gerade für Bewerber ohne Bleibeperspektive die Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung und damit auch die Residenzpflicht. 
 
Wir wollen Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, allein aus diesen drei Ländern sind in diesem Jahr fast 100.000 Asylbewerber und damit rund ein Viertel aller Antragssteller gekommen. Alle Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen in der Erstaufnahmeeinrichtung ihren Asylbescheid erhalten und von dort dann in ihre Heimat zurückkehren. Wichtig ist, dass auf eine negative Entscheidung auch eine konsequente Aufenthaltsbeendigung erfolgt. Es macht keinen Sinn, diesen Menschen falsche Hoffnung auf ein Leben in Deutschland zu machen.
 
5. Wir helfen den Kommunen und Ländern konkret, indem wir ihnen von den für 2016 zusätzlich vereinbarten 6 Milliarden Euro drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Näheres werden Bund und Länder bis zum 24. September 2015, dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten, vereinbaren. Zudem wollen wir den sozialen Wohnungsbau ausbauen und als Bund Länder und Kommunen dabei unterstützen.
 
Als CDU/CSU-Fraktion haben wir auf die enorme Herausforderung mit einem 12-Punkte-Plan reagiert, den der Fraktionsvorstand in seiner Klausur in der vergangenen Woche verabschiedet hat. Dieser Plan umfasst alle Bereiche, von der Innenpolitik, über die Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik bis hin zur Außen- und Entwicklungspolitik und Fragen der Finanzierung der Hilfsleistungen. Zahlreiche Punkte finden sich im Ergebnis des Koalitionsausschusses wieder.
 
In diesen Tagen geht es darum, wie wir auf die humanitäre Herausforderung einer Massenflucht nach Europa und insbesondere nach Deutschland reagieren können. In dieser Lage ist es müßig, weitergehende Fragen wie etwa ein Einwanderungsgesetz zu diskutieren. Wir müssen sicherstellen, dass unser Land, seine Kommunen, öffentlichen Einrichtungen, die Hilfsbereitschaft seiner Menschen und seine Aufnahmefähigkeit nicht überfordert werden und wir mit der Union an der Spitze, aber gemeinsam mit den anderen Parteien die Flüchtlingsfrage lösen.

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