Maßnahmenpaket zu Staatsschuldenkrisen im Euroraum

Mit dem vom Europäischen Rat am 24./25. März verabschiedeten Maßnahmenpaket ziehen wir die Lehren aus den durch die Griechenlandkrise ausgelösten Staatsschuldenkrisen im Euroraum. Die Staats- und Regierungschefs haben ein umfassendes Maßnahmenpaket verabschiedet, das einen Rahmen schafft, durch den die wirtschaftspolitische Überwachung der Europäischen Union gestärkt und die dauerhafte Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt gewährleistet wird. Zudem machen wir den Euro und Europa zukunftsfähig und schließen gleichzeitig Lücken in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion, die vor dem Ausbruch der Finanzmarktkrise im September 2008 nicht erkennbar waren.

Wie von der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 24. März ausgeführt, ist es das vorrangige Ziel des Maßnahmenpakets, Eigenverantwortung und Solidarität in der Eurozone in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Auch bei den Verhandlungen zum europäischen Krisenmechanismus (ESM) ist es gelungen, zentrale deutsche Anliegen umzusetzen: Der Mechanismus kann nur einstimmig und nur dann aktiviert werden, wenn es unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro als Ganzes zu gewährleisten (ultima ratio).

Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte ist eine von Europäischer  Kommission, IWF und EZB durchgeführte Untersuchung der  Schuldentragfähigkeit des Antragstellers. Des Weiteren gilt das Prinzip: Solidarität nur gegen entsprechende Eigenanstrengungen des betroffenen Landes, d.h. Unterstützung wird nur unter strengen Auflagen im Rahmen eines wirtschaftlichen Reform- und Anpassungsprogramms gewährt, das dem betroffenen Land (wie heute Griechenland und Irland) weit reichende Reformen abverlangt. Nur dann erhält das betroffene Land Kredite, die selbstverständlich verzinst zurückzuzahlen sind. Gegen viele Widerstände haben wir zudem erreicht, dass bei Überschuldung eines Staates die Beteiligung privater Gläubiger verpflichtend ist. Das ist nicht nur ein fiskalisches Gebot, sondern ein Gebot der Gerechtigkeit, das außerdem dem für die Marktwirtschaft zentralen Prinzip des Zusammenhangs von Risiko und Haftung Geltung verschafft.

Zukünftig dürfen sowohl der derzeitige wie der künftige Euro-Rettungsfonds direkt Staatsanleihen von Euro-Ländern kaufen – allerdings nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung: Die sonstigen Bedingungen für eine Hilfe sind gegeben. Insbesondere ist dies nur gegen strikte Konditionalität und im Rahmen eines wirtschaftlichen Reform und Anpassungsprogramms möglich. Klar ist: Es macht wirtschaftlich keinen Unterschied, ob Geld direkt an hilfsbedürftige Staaten geht, oder der Hilfsfonds Staatsanleihen von diesen direkt aufkauft. Daher ist diese neue Möglichkeit auch kein Einstieg in eine Transferunion, wie gelegentlich befürchtet worden war. Vielmehr bleibt es beim Grundsatz, dass jeder Staat für seine Verbindlichkeiten haftet. Zugleich müssen die Krisenstaaten weiter hart an einer Konsolidierung arbeiten und sich krisenfest aufstellen.

Die vom Europäischen Rat beschlossenen Maßnahmen sind insgesamt darauf ausgerichtet, das Vertrauen der Finanzmärkte, das heißt der Sparer und Investoren und letztlich der Bürger und Unternehmen, in die Währungsunion und den Euro nachhaltig zu stärken und künftige Staatsschuldenkrisen im Euroraum zu verhindern. Mit dem gehärteten Stabilitäts-und Wachstumspakt, der Überwachung schädlicher gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte, einer gemeinsamen Wachstumsstrategie, dem Euro-Plus-Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit, einem neuen europäischen Planungs-und Berichtszyklus und einer verantwortungsvollen Finanzmarktreform wird dafür gesorgt, dass Krisen gar nicht erst entstehen. Sollte es trotzdem zu einer krisenhaften Zuspitzung kommen, steht mit dem ESM eine Institution bereit, die dem betroffenen Land hilft, seine strukturellen Probleme zu lösen und eine Krise des Euroraums zu verhindern. Mit ihrer stabilitätsorientierten Politik hat
die deutsche Bundesregierung die Gesamtstrategiewesentlich geprägt und dazu beigetragen, dass das Reformpaket europäische Wirklichkeit wird.

Deutschland hat ein Vetorecht. Ohne die Zustimmung Deutschlands dürfen Hilfen nicht ausgezahlt werden. Das Vetorecht verhindert die Transferunion. Stützungsmaßnahmen wird es außerdem nur geben, wenn die Stabilität der Eurozone als Ganzes gefährdet ist. Sie können nur unter strikten  Bedingungen, d.h. bei strengen Anpassungsprogrammen, gewährt werden. Mit der Streckung der Bareinlage auf fünf Jahre halten wir die Belastung des
Haushalts so gering wie möglich. Mit diesem Paket sind die Interessen der Steuerzahler so weit wie möglich gesichert.

Den Vereinbarungen vom 24./25. März 2011 folgend, werden in den nächsten Monaten auf Ebene der Euro-Mitgliedstaaten der Vertrag zur Errichtung des ESM sowie die Änderungen am EFSF-Rahmenvertrag ausgearbeitet. Beide Verträge sollen vor Ende Juni 2011 unterzeichnet werden.

Im Anschluss daran sind die nationalen Gesetzgebungsverfahren für diese Maßnahmen zu durchlaufen. Der Bundestag wird also umfassend beteiligt und alle parlamentarischen Mitwirkungsrechte bleiben gewahrt. Zur nationalen Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Rates sind vier gesetzliche Maßnahmen erforderlich:

  1. Ratifikation der Änderung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
  2. Ratifikation des völkerrechtlichen Vertrages 2. zur Errichtung des ESM
  3. Schaffung einer Ermächtigung nach Art. 115 Abs. 1 GG für die Beteiligung am ESM
  4. Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (StabMechG) zur Ertüchtigung der EFSF
Wie in anderen Euro-Staaten gilt auch für Deutschland: Das letzte Wort hat das Parlament. Über die Einzelheiten werden wir uns im Parlament noch verständigen.
 
Die Stützungsmaßnahmen werden nur nach einer intensiven
Schuldentragfähigkeitsanalyse - deren Ergebnis positiv sein muss - durch den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission gewährt. Die Stützungsmaßnahmen haben auch das Ziel, größeren Schaden vom Steuerzahler abzuwenden.

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